Mansilla de las Mulas

 

Schon vier Wochen später flog ich wieder nach Spanien, eine Reise, zu der ich mich spontan entschlossen hatte, fast ein wenig eine Flucht. Bei dem Fernsehsender, für den ich arbeitete, war ein strikter Sparkurs ausgerufen worden. Das hieß, freie Mitarbeiter wie ich sollten weniger und während des Sommerferienprogrammes sogar fast gar nicht beschäftigt werden. Damit hatte ich ungeplant und unbezahlt mehrere Wochen frei, sofern ich mich nicht woanders nach Arbeit umsah, und die Chancen, dabei etwas zu finden, standen ausgesprochen schlecht.

In der Zwischenzeit hatte Roland mich mehrmals angerufen, mir in den Ohren gelegen, dass er in Arbeit ertränke, gar nicht wüsste, wie er alles alleine schaffen sollte, ob ich eine Möglichkeit sähe, noch mal zu kommen?

Warum eigentlich nicht, sagte ich mir schließlich. Wenn ich tatsächlich etwas über meine Erfahrungen als Hospitalera schreiben wollte, konnte es nicht schaden, ein paar zusätzliche Erfahrungen zu machen. Zwei Wochen in Azofra und anderthalb in Mansilla, danach könnte ich immer noch auf Arbeitssuche gehen — also buchte ich den nächsten billigen Flug, den ich kriegen konnte.

Diesmal ging alles glatt, die Maschine war pünktlich, ich erwischte ohne langen Zwischenaufenthalt einen Zug nach Miranda. Roland holte mich ab, sah ziemlich geschafft aus und auf der Rückfahrt erzählte er mir, was in der Zwischenzeit alles losgewesen sei.

„Du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Trubel war“, stöhnte er, untermalt von großen Gesten, „in diesem Jahr ist es wirklich völlig verrückt. Was das Schlimmste ist — es kommen die unmöglichsten Leute, anmaßend, unverschämt, undankbar. Oft hab ich wirklich Lust, alles hinzuschmeißen.“

Das tat mir Leid für ihn, andererseits wusste ich aber auch, dass eine Reihe seiner Probleme sozusagen hausgemacht waren. Abends in der Herberge, wo wir allein waren, weil Roland, um mich abzuholen, gar nicht erst geöffnet hatte, ging das Klagelied weiter. Neben den bekannten Strophen — die mangelnde Wertschätzung der Pilger für das, was er ihnen böte, die lästigen Diskussionen ums Geld, der Ärger mit Leuten aus dem Dorf, die ihn schlecht machten — stimmte er eine neue an und die hieß: An der Via de la Plata ist alles besser.

Die Via de la Plata, die Silberstraße, ist eine der anderen großen Routen des Jakobswegs. Sie führt von Sevilla in Südspanien nach Santiago und gilt als anspruchsvoller und anstrengender als der Camino Francés, da die Etappen in der Regel länger sind, es nur in großen Abständen Unterkunfts- und Verpflegungsmöglichkeiten gibt. Roland war, als ihm in Azofra alles zu viel wurde, kurzerhand für ein paar Tage die Silberstraße entlang gefahren und hatte sich dort umgesehen.

„Da gibt es einen echten Bedarf an Herbergen, manche Gemeinden wären richtig froh, wenn einer was einrichten würde. Außerdem sind die Pilger dort ganz anders als die hier, viel dankbarer“, schwärmte er.

Ich gab zu bedenken, dass nur wenige Pilger die Silberstraße gingen, man dort in hunderten anstatt wie auf dem Camino Francés in zehntausenden zählte.

Das ließ Roland nicht gelten. „Na und, dann sind es eben weniger. Aber wenn du denen eine schöne Herberge bietest, dann küssen sie dir aus Dankbarkeit die Füße.“

Ich verkniff mir einen Kommentar, später in meinem stillen Kämmerlein ging ich allerdings in mich. Sich die Füße küssen lassen — deshalb wurde man doch wohl hoffentlich nicht Hospitalero. Waren wir Hospitaleros und Hospitaleras nicht vielmehr dazu da, Pilgern zu helfen und ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten den Aufenthalt in der jeweiligen Herberge angenehm zu machen? Ehrlicherweise musste ich zugeben, auch ich war nicht gegen Eitelkeit gefeit und schließlich mit dem Anspruch angetreten, eine unvergesslich gute Hospitalera zu sein. Auch ich sonnte mich gerne im Lob von Pilgern — doch wenn das ausblieb, Pilger meine Bemühungen nicht zu schätzen wussten, nahm ich das inzwischen nicht mehr persönlich. Wie die Pilger waren auch wir Hospitaleros Glieder in einer langen Kette und zwar austauschbar, das hatte mir Alfredo deutlich gemacht. Und wenn eine der Lektionen, die Pilger auf dem Camino lernen sollten, Demut und Dankbarkeit ist, dann gilt dies genauso für Hospitaleros. Nicht umsonst wird in einigen Herbergen die alte Sitte gepflegt, den ankommenden Pilgern die Füße zu waschen.

All das hatte Roland offenbar aus den Augen verloren und das war im Grunde kein Wunder. Zwar ständig von Menschen umgeben, war er dennoch allein und wer zu lange allein lebt, entwickelt Marotten, bekommt leicht eine verzerrte Perspektive.

Alfredo hatte mir einmal erklärt: „In einer Herberge sollten immer mindestens zwei Hospitaleros sein und zwar idealerweise ein männlicher und ein weiblicher, denn je nach Problem brauchen Pilger unterschiedliche Ansprechpartner.“ Roland aber führte die Herberge allein, auch wenn er es ursprünglich anders geplant hatte.

Abgesehen von meinem kurzen Gastspiel war er für alles und jeden der alleinige Ansprechpartner und damit — obwohl er das vermutlich nie zugeben würde — überfordert. Er hatte niemanden, mit dem er Ärger oder Freude teilen konnte, fraß alles in sich hinein, bis er irgendwann explodierte, und das womöglich aus nichtigem Anlass — wie gleich am nächsten Tag. Gegen zwei Uhr nachmittags klingelte es.

„Kannst du nicht lesen?“ herrschte Roland den jungen Spanier an, der vor der Tür stand. „Hier steht, wir machen erst um drei Uhr auf.“

„Entschuldigung, das hab ich übersehen. Könnte ich vielleicht trotzdem schon in die Herberge und mich hinlegen, ich habe einen schlimmen Fuß“, sagte der junge Mann höflich und deutete auf seinen geschwollenen Knöchel. „Erst um drei“, beschied Roland kategorisch.

Unangenehm berührt, wie barsch er mit dem Jungen umsprang, klinkte ich mich ein. „Wir sind noch nicht mit allem fertig, gib uns eine halbe Stunde. Wenn du magst, kannst du deinen Rucksack hier lassen und was essen gehen.“

„Schon in Ordnung“, winkte der Junge ab und humpelte Richtung Bar Sevilla.

Später, während Roland Siesta hielt, kam er noch mal vorbei, um mir mitzuteilen, dass er in der anderen Herberge schlafe. „Und ich wollte dir auch sagen, dass mich auf dem ganzen Weg noch kein Hospitalero so mies behandelt hat wie der Typ vorhin.“

Das tat mir in der Seele weh, schließlich wusste ich um Rolands viele guten Seiten, versuchte, ihn in Schutz zu nehmen. „Er ist kein übler Kerl, denn sonst würde ich hier nicht arbeiten. Er hatte nur furchtbar viel Stress und Ärger in der letzten Zeit und du hattest das Pech, einen schlechten Tag bei ihm zu erwischen.“

„Schlechter Tag“, meinte der Junge zweifelnd. „Na ja, du brauchst dir den Schuh jedenfalls nicht anzuziehen. Du warst freundlich zu mir, deshalb bin ich auch noch mal gekommen, um dir zu sagen, dass ich woanders wohne.“ Ich zuckte die Schultern, wir lächelten uns ein wenig ratlos zu, dann zog er ab. Die Herberge blieb an diesem Tag vollkommen leer, obwohl der Ort voller Pilger war. Vermutlich hatte sich Rolands Auftritt herumgesprochen.

„Warst du nicht ein bisschen hart heute Mittag mit dem armen Jungen“, suchte ich das Thema abends vorsichtig noch mal anzuschneiden, „er kam später noch mal vorbei, um mir zu sagen, dass er in der Pfarrherberge wohnt. Und er beklagte sich darüber, wie rüde du zu ihm warst.“

„Was — und du hast ihm nicht Bescheid gegeben?“, ereiferte sich Roland. „Da versucht der Kerl auch noch einen Keil zwischen uns zu treiben!“

Darauf sagte ich besser nichts mehr.

Die nächsten Tage schien der Camino nahezu ausgestorben, in der Bar Sevilla, wo sonst von morgens bis abends Pilger Rast machten, herrschte gähnende Leere.

„Was für ein merkwürdiges Jahr“, meinte Begoña zu Roland und mir. „Im Mai waren so viele Pilger unterwegs und jetzt im Juli so wenige. Dabei ist jetzt eigentlich Hochsaison.“ Ich rief in Mansilla an. Dort war die Herberge jeden Tag voll. Vermutlich verlief die Pilgerwanderung in Wellen und wir erlebten hier gerade ein Wellental.

Weil ich nichts zu tun hatte, wanderte ich viel, besuchte die Klöster abseits des Camino. Das war zwar alles gut und schön, aber ich war nicht gekommen, um Ferien in Azofra zu machen, sondern um als Hospitalera zu arbeiten.

„Wenn es weiterhin ruhig hier bleibt, fahre ich schon früher nach Mansilla“, kündigte ich Roland an.

„Wart erst noch mal ab“, meinte der.

Tags darauf schien das Wellental zu Ende, es kamen wieder Pilger, die Herberge füllte sich — mit lauter netten Leuten wie ich fand, darunter eine Spanierin, Lourdes, die selbst Hospitalera gewesen war. Für Roland war das jedoch ein Grund, sie nicht zu mögen.

Er regte sich über alles auf, was sie tat und mir machte er zu meiner Verblüffung heftige Vorwürfe, weil ich zugelassen hatte, dass sie einer anderen Pilgerin die Blasen verarztete. Was sie übrigens sehr professionell machte — vermutlich war genau das Roland ein Dorn im Auge, wurde er damit doch um die Chance gebracht, selbst den Blasen-Experten zu geben. Abends in der Küche versuchte er, Streit mit ihr anzuzetteln.

„Für das Geld, was du für die Brotzeit da bezahlt hast, hättest du im Restaurant was Anständiges essen können“, hielt er ihr vor. Ihren Einwand, es ginge nicht ums Geld, sondern darum, sich selbst etwas zuzubereiten, tat er mit einem Verweis auf den unglaublichen Geiz vieler Pilger ab. Lourdes nahm das gelassen, mir war es peinlich und um das Gespräch in ein anderes Fahrwasser zu bringen, fragte ich sie, wie es ihr in der Abendmesse gefallen habe. Das hätte ich lieber bleiben lassen, denn Roland nahm diese Vorlage, um über die Kirche als solche und verschiedene Priester, die er kannte oder zu kennen meinte, herzuziehen. Lourdes hielt freundlich, aber bestimmt dagegen, und weil Roland, wie ich bereits mehrfach mitbekommen hatte, zu echten Diskussionen nicht fähig war, glitt der Schlagabtausch bald ins Absurde ab.

„Ich halt das nicht mehr aus“, sagte ich irgendwann und flüchtete in Begoñas Lokal an einen Tisch mit netten Pilgern. Später kam Roland dazu, gab sich leutselig, wobei er mich allerdings ignorierte, mir nur kurz zuknurrte: „Morgen bringe ich dich nach Mansilla.“

„Nicht nötig, ich fahre lieber allein dahin.“

Als ich in die Herberge zurückkehrte, saß Roland in der dunklen Küche und legte, soweit das beim Licht der Straßenlaternen von draußen möglich war, Patiencen. Ich versuchte, schon ahnend, dass es sinnlos war, noch einmal mit ihm zu reden.

„Ich lass mich auf keine Diskussionen ein, denn dabei kann ich nur verlieren“, bockte er, „und dir fehlt die Solidarität.“ Weiter argumentieren zwecklos — ich stieg in mein Zimmerchen hinauf, sackte ratlos auf mein Bett. Was war da eigentlich tatsächlich passiert — welcher seltsame Film lief nun ab — konnte ich den noch irgendwie stoppen? Schließlich packte ich meine Sachen, um am Morgen keine Zeit zu verlieren, und schlief miserabel in dieser Nacht, hin- und hergerissen zwischen dem Impuls, wegzugehen oder stand zu halten. Im Grunde entsprach es ganz und gar nicht meiner Natur, etwas auf sich beruhen zu lassen. Selbst in aussichtslosen Situationen meinte ich noch, kämpfen und durchhalten zu müssen, hatte mir dabei oft — sinnbildlich gesprochen — das Kreuz gebrochen.

Aber womöglich war das jetzt eine weitere Lektion, die ich auf dem Camino lernen sollte: auch mal aufgeben können und etwas, das man nicht ändern kann, auf sich beruhen zu lassen. Deshalb musste ich wohl noch mal nach Azofra kommen, um mir eben diese Lektion abzuholen.

Wenn Roland sich noch oft solche Ausraster leistete, sägte er sich den Ast, auf dem er saß, irgendwann selber ab. Und so Leid mir das tat, war ich doch nicht diejenige, der es zustand, ihn davon abzuhalten, war nicht seine Lebensgefährtin oder Geschäftspartnerin, nicht einmal eine Freundin. Ich war lediglich eine freiwillige Hospitalera, die ihn bei seiner Arbeit unterstützen wollte, aber nicht um den Preis von bedingungsloser Solidarität, sogar dann wenn er Pilger schlecht behandelte.

Um sechs Uhr stand ich auf, putzte direkt hinter den aufbrechenden Pilgern her, war fertig, kaum dass der letzte die Herberge verlassen hatte. Typisch cabeza cuadrada, pflichtbewusst bis zum Schluss, eigentlich hätte ich den Kram genauso gut liegen lassen können.

Roland war nirgendwo zu sehen. Ich nahm meinen Rucksack, schloss das Haus ab und ging in die Bar Sevilla. Begoña deutete mein Gepäck richtig.

„Du gehst, Elisabeth?“

Ich schilderte ihr knapp, was vorgefallen war, meinte bedauernd: „Irgendwie kenne ich Roland nicht mehr wieder. Er war bisher ein netter jovialer Typ — aber jetzt ist er voller Gift und Galle.“

Begoña seufzte, wahrscheinlich wusste sie mehr, als sie mir sagen wollte. „Roland hatte es nicht leicht in den letzten Wochen. Er ist supergestresst und sehr nervös.“

„Aber das ist kein Freibrief für Ungerechtigkeit und schlechtes Benehmen.“

Ich zuckte die Achseln, Begoña auch, schob mir mit kummervoller Miene einen Milchkaffee und ein großes Stück Kuchen hin. Sie war glücklich gewesen, mich wiederzusehen, hatte sich auf unsere Frauengespräche gefreut, ließ mich darum nun nur ungern ziehen, verstand aber, dass ich nicht bleiben konnte.

Draußen kam gerade Roland von irgendwoher zurück. Ich ging hinterher, um ihm den Schlüssel zurück zu geben. Er machte eine unbestimmte Handbewegung, die wohl bedeuten sollte: Hättest ihn auch wegschmeißen können.

Das war’s. Ich schulterte meinen Rucksack und machte mich davon. Im Gehen rief ich Wolf in Mansilla auf dem Handy an, schüttete mein Herz aus.

„Komm hierher“, meinte er schlicht.

„Aber könnt ihr mich denn jetzt schon brauchen?“

„Das ist die dümmste Frage, die ich je gehört habe“, sagte Wolf und in seiner Stimme lag so viel Wärme, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. „Hier ist genug zu tun, aber hetz dich nicht ab, nimm dir noch ein bisschen Zeit auf dem Camino — auf jeden Fall bist du willkommen.“ Eigentlich war mein Rucksack viel zu schwer, um eine längere Strecke damit zu wandern, schließlich hatte ich als Hospitalera wesentlich mehr Sachen dabei denn als Pilgerin. Aber ich wollte zumindest ein, zwei Kilometer auf dem Camino gehen, um mich zu beruhigen, mich dann zur Landstraße durchschlagen und weiter trampen.

Doch weil der Camino jedem das gibt, was er braucht, kam es anders.

Kurz hinter Azofra holte ich einen ziemlich schwergewichtigen Pilger mit weißer Lockenmähne ein. Der Wanderführer, der aus seiner Hosentasche ragte, identifizierte ihn als Deutschen, also sprach ich ihn an.

Matthias stammte aus Bayern und ging sehr langsam — kein Wunder bei seinen vielen Kilos — und schon nach wenigen Worten, die wir gewechselt hatten, spürte ich, dass es gut sein würde, mit ihm nach Santo Domingo de la Calzada zu wandern, anstatt zu trampen. Wir brauchten fünf Stunden für diese Strecke, die ich allein ohne Pausen in knapp dreien geschafft hätte, aber es war genau richtig, mir diese Zeit mit ihm zu nehmen.

Während wir gemächlich durch die sonnenglühende Landschaft wanderten, uns gelegentlich unter einen Baum setzten und Wasser, Obst und Nüsse teilten, sprachen Matthias und ich darüber, was uns hierher gebracht hatte. Gegen den Widerstand von Familie, Freunden und seinem Arzt hatte er sich auf den Camino begeben.

„Ich spürte einfach, dass es jetzt Zeit für mich ist, den Jakobsweg zu gehen“, sagte er, wie ich es schon unzählige Male gehört hatte.

Ich erzählte ihm, dass es mir vor einem Jahr genauso ergangen sei und dass die unsichtbaren Fäden, die mich damals als Pilgerin zum Camino zogen, mich jetzt als Hospitalera zurückgebracht hätten.

Matthias war ein Mensch mit großem spirituellem Wissen und es machte Freude, mit ihm über die Magie des Camino und die sonstigen magischen Kräfte, die unser Leben beeinflussen, zu philosophieren. Außerdem war er in seiner ruhigen, humorvollen Art genau der Richtige, um mich von meinem Azofra-Frust herunterzuholen. Am Ende betrachtete ich den Weg nach Santo Domingo auch ein wenig als Bußwallfahrt für meine Überheblichkeit, hatte ich mir doch eingebildet gehabt, mich könnten Rolands Ausraster niemals treffen, weil ich so nett und tüchtig war.

Matthias wollte in Santo Domingo bleiben, ich weiter nach Grañón. Wir gingen zusammen noch ein Bier trinken und er schenkte mir zum Abschied einen kleinen Elefanten aus weißem Achat.

„Man sagt, wenn sie den Rüssel erhoben haben, bringen sie Glück“, schmunzelte er dazu.

Wie lieb von ihm, mir einen Glückselefanten zu schenken — und wie einfühlsam. Ich hatte ihm nur wenig von meiner Lebenssituation in Deutschland erzählt, dennoch hatte Matthias gespürt, dass ich momentan ein bisschen Glück ganz gut brauchen könnte.

Für die letzten Kilometer nach Grañón nahm ich in Anbetracht meines schweren Rucksacks unpilgergemäß ein Taxi. Ich wollte an diesem Abend in jener Albergue übernachten, wo Pater José Ignacio seine Cursillos für Hospitaleros abhielt, auf meiner Pilgerreise war ich seinerzeit dort nicht abgestiegen. Grañón gilt als eine der sehr besonderen Herbergen des Camino. Ihre Räumlichkeiten sind im Turm der Dorfkirche und über den Gewölben des Kirchenschiffs eingerichtet worden, architektonisch recht verworren, kein Pilger, der sich hier nicht mindestens einmal verläuft. Vor allem aber wird in dieser Herberge jeder ohne Einschränkung aufgenommen, keiner nach dem Pilgerausweis gefragt, ebenso wenig nach einer Übernachtungsgebühr.

„Gib, was du kannst, nimm, was du brauchst.“ steht auf einer Geldschatulle im Flur und seltsamerweise ist darin immer genug, um abends ein gemeinschaftliches Mahl für alle zu kochen. Wer will, kann dazu Weiteres beisteuern, Wein, Obst oder Kekse als Dessert.

Wir saßen alle um die improvisierten langen Tische, gut drei Dutzend Pilger, die Hospitaleros, Pater José Ignacio und es herrschte eine überaus angenehme, heiter-besinnliche Atmosphäre. Vorher hatten wir — freiwillig zwar, aber dennoch fast ausnahmslos alle — die Messe besucht und der Pater hatte sich als hervorragender Prediger erwiesen. Zudem war er ein charmanter und gut aussehender Mann, kein Wunder, dass der Camino-Tratsch sich immer wieder scheinheilig um des Paters Keuschheit sorgte.

Roland hatte über Grañón stets etwas abwertend gesprochen, Pilgern davon abgeraten, dort zu übernachten, weil es immer viel zu voll sei, und behauptet, die Herberge könne nur deshalb so großzügig sein, weil sie Unterstützung vom Ausland bekäme.

Na und? dachte ich, während ich nun von dieser angeblichen oder tatsächlichen Unterstützung profitierte. Letztlich spielt das doch gar keine Rolle. Wichtig ist vielmehr, dass hier ein ganz besonderes Gemeinschaftserlebnis vermittelt wird. Roland war vermutlich bloß eifersüchtig, weil viele Pilger von Grañón schwärmten.

Nach dem Essen räumten wir alle miteinander auf; es war schon merkwürdig — hier wurde nichts ge- oder verboten, trotzdem funktionierte alles reibungslos.

In dieser Nacht schlief ich tief und traumlos auf meiner dünnen Matratze in einem mit Pilgern bis auf den letzten Quadratzentimeter belegten Raum, wobei ich gar nicht mehr weiß, ob irgendjemand schnarchte. Ich erinnere mich nur noch, wie unheimlich geborgen ich mich fühlte.

Am anderen Morgen wanderte ich bis zum nächsten Ort, von dort ging es per Anhalter und in verschiedenen Autobussen nach Mansilla. Nachmittags gegen vier Uhr kam ich dort an und die Herberge war bereits komplett belegt. „Schön, dass du da bist“, sagte Wolf und nahm mich in die Arme.

„Du wirst sehen, wir können dich hier gut brauchen“, meinte Laura mit den üblichen besitos, Küsschen rechts und links. Sie grinste, als ich ihr einen Abriss von den Ereignissen in Azofra gab. „Das hätte ich dir vorher sagen können. Es hat mich sowieso gewundert, dass beim letzten Mal alles glatt gelaufen ist. Von diesem Roland habe ich schon einige merkwürdige Sachen gehört, und mich gefragt, ob der Typ wohl ganz koscher ist.“

Schwamm drüber, jetzt war ich in Mansilla und alles würde gut.

 

Anders als die Orte, in denen ich bisher als Hospitalera gearbeitet hatte, ist Mansilla ein richtiges Städtchen — mit knapp 2.500 Einwohnern zwar klein, doch mit allerhand Geschäften, Kneipen, Restaurants, mehreren Hotels und Gasthöfen sowie einem Campingplatz etwas außerhalb. Dieser historische Ort hat sowohl eine lange Tradition in der Beherbergung von Jakobspilgern, wie auch als Marktplatz. Einst war er ein bedeutender Umschlagplatz für Getreide und Vieh, von letzterem zeugt die Langform des Stadtnamens Mansilla de las Mulas, Mansilla der Maulesel. Inzwischen gibt es diese großen Märkte jedoch nicht mehr, es findet nur noch ein kleiner Wochenmarkt statt; die Stadt stagniert, viele der alten Häuser stehen zum Verkauf. Umgeben von einer gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer und malerisch am Fluss Esla gelegen ist Mansilla ein bei Pilgern sehr beliebtes Etappenziel, ein hübsches Städtchen nach mehreren Tagen Camino durch relativ monotone Landschaft. Am nächsten Tag sind es dann nur noch neunzehn Kilometer bis León, der früheren Hauptstadt des Königreiches Asturien-León, wo es viel zu besichtigen gibt.

Auch Mansillas Herberge war äußerst beliebt, weil sie gemütlich war und in vieler Hinsicht den Ansprüchen von Pilgern ideal entsprach. Sie bestand aus zwei Häusern zwischen denen ein geräumiger Patio, ein hübscher Innenhof mit einem alten Feigenbaum lag. Das vordere Haus war das Haupthaus mit dem Empfangsbüro und vier Schlafräumen mit jeweils sechs bis acht Betten. Das Hinterhaus hatte einen Schlafsaal für zwanzig Pilger. Es gab zwei gut ausgestattete Küchen, ausreichend Toiletten und Duschen, unter einem Vordach im Patio standen Waschmaschine und Trockner. Regulär bot die Herberge Platz für 46 Pilger, notfalls konnten im Flur des Hinterhauses noch vier Personen auf Matratzen untergebracht werden, mehr allerdings nicht, das hätte die sanitären Anlagen überfordert.

Ich merkte schnell, dass Laura und Wolf nicht übertrieben hatten, es gab tatsächlich genug zu tun in dieser Herberge, sie konnten meine Hilfe gut brauchen und es machte Spaß, im Team zu arbeiten.

Die Aufgaben hatten wir, ohne ein Wort darüber zu wechseln, sinnvoll untereinander aufgeteilt. Wolf hatte sein Hospitalero-Zimmer im Vorderhaus, mir wurde meines im Hinterhaus eingerichtet, und wir fühlten uns jeweils für „unsere“ Häuser verantwortlich.

Wolf stand immer schon gegen sechs in der Früh auf, weil er gern die Pilger verabschiedete und ihnen noch den ein oder anderen guten Rat mit auf den Weg gab. Ich hingegen gönnte es mir, bis halb acht zu schlafen. Gegen acht waren fast alle Pilger fort und wir begannen, jeder sein Haus herzurichten, wobei wir später von Laura und Rebeca unterstützt wurden. Anschließend hieß es: Vamos a tomar un café — lasst uns Kaffee trinken gehen!“

Meist waren wir früh genug fertig, um noch ein bisschen Zeit für uns zu haben, bevor wir um eins die Herberge für die Pilger aufschlossen. Beim Aufnehmen der Pilgerdaten und Stempeln der Credenciales wechselten wir uns ab, je nachdem, wer gerade Lust dazu hatte. Spätestens um drei — egal, ob die Herberge voll oder noch Plätze frei waren — wurde das Büro abgeschlossen und ein Zettel aufgehängt: „Sind essen, kommen gegen fünf zurück“

„Ich könnte doch die Stellung halten“, bot ich voller Anfangseifer an.

„Kommt nicht in Frage“, erklärte Wolf. „Wir sind die Hospitaleros und nicht die Sklaven dieser Herberge und wir haben Stress genug. Da sind die Mittagspause und die anschließende Siesta einfach ein Muss.“

Zunächst genierte ich mich ein wenig, wie selbstverständlich mit zu Lauras Familie zu kommen, wo ihre Mutter Ana für alle gekocht hatte, aber als sie das merkten, nahmen sie mir rasch meine Befangenheit: „Du gehörst doch jetzt dazu.“

Ab dem Spätnachmittag kümmerten wir uns wieder in der Herberge um die Belange der Pilger, bis wir gegen zehn, elf Uhr zu Lauras Familie zurückkehrten, wo nach spanischer Sitte zu dieser späten Stunde das Abendessen eingenommen wurde. Ein Zeitplan, an den sich mein deutscher Magen trotz guten Willens nicht gewöhnen konnte, deshalb klinkte ich mich gelegentlich daraus aus. Ana, die Gute, ließ mir dann ein Töpfchen mit selbstgekochten Köstlichkeiten zukommen, damit ich nur ja nicht verhungerte.

Vor oder nach dem Abendessen oder sowohl als auch tranken wir irgendwo eine Copa, was bedeutete, dass wir abends recht spät ins Bett kamen. Ich bewunderte Wolf, dem das nichts auszumachen schien und der jeden Morgen frisch und munter um sechs Uhr aufstand. Doch Wolf hatte ein spezielles Verhältnis zum Camino und zu Mansilla, wo er sich mehr Zuhause fühlte als in Deutschland, und wo er regelrecht aufblühte. Ich hatte das selbst beobachtet — in Mansilla wirkte Wolf, obwohl nach wie vor Ende sechzig, dennoch irgendwie jünger und elastischer, wenn er in seinen Safarihosen mit den vielen Taschen und einem T-Shirt, auf dem ein Lobo, ein Wolf, prangte, in der Herberge die Runde machte. Mitte der neunziger Jahre war er zum ersten Mal den Camino gegangen, danach jedes Jahr wieder, wobei er stets ein paar Tage in Mansilla blieb, um in der Herberge zu helfen. Seit seiner Pensionierung kam er alljährlich für mehrere Monate nach Mansilla.

„Der Camino hat mich gefangen und lässt mich nicht mehr los“, pflegte er zu sagen und zu seiner Arbeit als Hospitalero hatte er in einem Interview der örtlichen Presse erklärt: „Ich bin glücklich, wenn ich anderen helfen kann, dann fühle ich mich nützlich. Ich glaube, es ist besser, hier zu arbeiten, als Zuhause in Deutschland mit Gartenarbeit die Zeit tot zu schlagen. Außerdem gefällt mir Mansilla und die Menschen dort sind liebenswert.“

Das war stark untertrieben, tatsächlich hatte Wolf einen Narren an Mansilla gefressen und in Lauras Familie war er längst integriert wie ein enger Verwandter. Wolfito, Wölfchen, nannte Ana ihn liebevoll, als sei er ein weiterer Sohn, obwohl altersmäßig eher sie seine Tochter hätte sein können.

In der Herberge ergänzten sich Wolf und Laura hervorragend, gerade weil sie in vieler Hinsicht, äußerlich wie vom Temperament her, sehr gegensätzlich waren.

Wolf, groß, drahtig, mit einem weißen Haarkranz um den sonnengebräunten kahlen Kopf, verbreitete allein auf Grund seines Alters einen gewissen Respekt. Er strahlte Ruhe aus, nahm alles sehr genau und verkörperte eine gute Mischung aus väterlicher Strenge und Fürsorge.

Laura, klein, knuffig, mit langen honigblonden Locken und gut Mitte zwanzig, sorgte gern mit lustigen, zuweilen auch etwas zotigen Sprüchen für lockere Stimmung. Auf bemerkenswerte Weise vereinte sie Quirligkeit und spanische Mañana-Gelassenheit in sich. Ihre energische und zugleich einfühlsame Art, die Herberge zu führen, hatte ihr in einem deutschen Camino-Wanderführer das Lob eingebracht, „ein Juwel“ zu sein.

„Was glaubt ihr wohl, wie viel ich bezahlt habe, damit der das schreibt?“, witzelte sie darüber.

In gewisser Weise kam mir Mansillas kommunale Herberge fast wie ein Familienunternehmen vor. Bereits Lauras Mutter hatte als Hospitalera gearbeitet, Vater Paco kam öfter vorbei, um nach dem Rechten zu sehen, und im Sommer half wie gesagt Rebeca, die Freundin von Lauras Bruder José Ramon, mit.

Rebeca, noch keine zwanzig, eine brünette Schönheit mit dunklen Rehaugen, klug und heiter, war eine genaue Beobachterin und ordentlich, ohne pingelig zu sein. Umsichtig brachte sie die Unterlagen für die Pilger-Statistiken der Gemeinde in einen lesbaren Zustand — eine verdienstvolle Aufgabe, um die wir anderen uns gern drückten.

Als vierte im Team stand ich altersmäßig zwischen Wolf und Laura, in der Hierarchie sah ich mich eher auf einer Stufe mit Rebeca, denn sie war die Jüngste und ich nur für begrenzte Zeit da. Gemeinsam hielten wir uns zurück, wenn Laura und Wolf organisatorische Probleme diskutierten, als hätten wir uns stillschweigend geeinigt, dass die beiden die Vor- und wir quasi die Zuarbeiter seien. Schließlich nahm Laura nicht nur als hauptamtliche Hospitalera und Wolf auf Grund seines Alters einen anderen Status ein. Als Spezialisten für die Behandlung von körperlichen Problemen waren beide außerdem begehrte Ansprechpartner der Pilger, wobei Laura für Blasen, Wolf für Muskelprobleme und Sehnenentzündungen zuständig war. Eher zufällig hatte er vor Jahren entdeckt, dass er mittels Handauflegen heilen konnte.

„Als Elektriker hab ich seinerzeit wohl so viel Strom abbekommen, dass ich den jetzt als Energie wieder abgeben kann“, meinte er halb scherzhaft, halb ernst zu seiner Fähigkeit. Sehnenentzündungen im Anfangsstadium konnte er ohne weiteres kurieren, Muskelverspannungen ebenso — und dabei löste er gelegentlich zugleich manch andere Blockade. Einmal fing eine ältere Pilgerin, nachdem Wolf ihr ein paar Minuten lang die Hände auf die schmerzende Wade gelegt hatte, zu weinen an. Sie schluchzte nicht, die Tränen strömten einfach aus ihr heraus, ohne dass sie sie zurückhalten konnte.

„Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist“, schniefte sie verlegen.

„Das ist ganz normal, das passiert oft“, sagte Laura begütigend und reichte der Frau ein Taschentuch. „Lassen Sie’s einfach raus.“

Wir erfuhren in diesem Falle nicht, was sich diese Pilgerin von der Seele weinte — aber es war ihr anzumerken, wie gut es ihr tat.

Oft fungierte Wolf, wenn er sich um verkrampfte Muskeln und Sehnen kümmerte, zugleich als geduldiger und verschwiegener Beichtvater und Laura bekam ebenfalls allerhand Geschichten zu hören, während sie Blasen verarztete. „Warum bringst du dich eigentlich nicht mehr ein?“, fragte sie mich eines Nachmittags, als wir im Empfangsbüro saßen und es gerade ruhig war. „Du hättest doch so viel zu geben, warum gehst du nicht mehr auf die Pilger zu?“

Ja warum nicht? Vielleicht, weil das jetzt einfach nicht für mich angesagt war. In Azofra war ich Zuhörerin für jeden, der das wollte, gewesen. In Molinaseca hatte ich mich nahezu rund um die Uhr um alle gekümmert, Herzlichkeit verströmt wie ein endloser Quell und mich dabei vermutlich ein bisschen verausgabt. Insofern war es mir sehr recht, dass ich mich hier nun etwas zurücknehmen konnte. Das versuchte ich, Laura zu erklären und fügte hinzu: „Außerdem seid ihr, Wolf und du, ohnehin als die Spezialisten für Blasen und Muskeln hier die Stars und wir beiden anderen stehen in der zweiten Reihe.“

„Genau“, nickte Rebeca, die wie üblich erst einmal genau zugehört hatte, bevor sie ihren Kommentar abgab, „das ist wie im Sport, da muss es auch eine zweite Reihe geben.“

„Und das stört mich überhaupt gar nicht“, betonte ich, „im Gegenteil — es gefällt mir, hier mehr zu beobachten als zu agieren und übrigens Laura, ob du’s glaubst oder nicht — ich hab durchaus meine Fans.“

Laura lachte. „Stimmt schon. Einer davon sitzt in der Küche und schielt dauernd hierher. Du solltest mal zu ihm gehen.“

Das tat ich und unterhielt mich eine ganze Weile angeregt mit meinem „Fan“, einem netten Franzosen in meinem Alter, ein wenig alternativ gekleidet mit indischem Wams und besticktem Käppi. Er hatte einmal eine Zeitlang in einem indischen Ashram gelebt und dabei drei Wochen Schweigeexerzitien gemacht. Den Camino betrachtete er als eine weitere spirituelle Übung.

„Langes Gehen löst besondere Schwingungen aus“, sagte er und bestätigte damit meine eigenen Erfahrungen und das, was mein alternativer Arzt dazu ausgeführt hatte. „Dadurch wird man offen, alle fünf Sinne voll zu nutzen — und den sechsten und siebten dazu.“

 

Auch wenn es während meiner Stippvisite in Azofra zunächst anders ausgesehen hatte — es herrschte tatsächlich Hochsaison auf dem Camino. Fast jeden Tag war Mansillas Herberge bis auf den letzten Platz belegt und meist füllte sie sich, kaum dass wir die Türe aufgeschlossen hatten.

Oft rief Wolf bereits gegen vierzehn Uhr in Reliegos an, einem Dorf rund sechs Kilometer vor Mansilla, damit dort in Herberge und Kneipe Zettel ausgehangen würden: Mansilla completo — Mansilla voll belegt. Das nützte allerdings wenig, die meisten Pilger gingen trotzdem weiter, weil sie sich in den Kopf gesetzt hatten, in Mansilla zu übernachten und reagierten teilweise empört, wenn es dort keinen Platz mehr für sie gab. Überhaupt gab es häufig unangenehme Diskussionen mit Pilgern, die einfach nicht glauben wollten, dass sie nicht mehr unterkämen und es erstmal ablehnten, in eines der Leihzelte auf dem Campingplatz auszuweichen. „Warum können wir nicht im Patio schlafen? Wir haben Matten dabei.“

In einem der Vorjahre hatten Laura und Wolf sich breitschlagen lassen und rund einem Dutzend Pilger gestattet, im Hof zu übernachten, was das ältliche Abwasserrohrsystem nicht verkraftete. Am nächsten Morgen war die Kanalisation übergelaufen und für die Beseitigung der unappetitlichen Folgen musste die Herberge mehrere Tage geschlossen werden. Das sollte sich nicht wiederholen.

Allerdings hatten Wolf und Laura die Parole ausgegeben, die offiziellen Regeln für die Belegung nicht starr, sondern den Umständen angepasst zu handhaben.

Oder hätten wir etwa den Vater mit seinem behinderten Sohn weiterschicken sollen, weil sie als Radfahrer früh am Nachmittag eigentlich noch nicht aufgenommen werden durften? Selbstverständlich taten wir das nicht, sondern erlaubten ihnen zu bleiben. Später erfuhren wir die kleine bewegende Geschichte der beiden. Der Sohn, inzwischen siebzehn Jahre alt, hatte während seiner Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen und einen leichten cerebralen Schaden erlitten, mit dem er aber tapfer umzugehen versuchte. Radfahren konnte er, und so hatte ihn sein Vater mit auf den Camino genommen.

„Sie glauben gar nicht, wie gut diese Pilgerreise dem Jungen tut“, erzählte uns der Vater, „er bekommt so viel Selbstvertrauen dadurch, ist unglaublich stolz, dass er das schafft.“ Generell durften Radfahrer bleiben, egal wie früh sie ankamen, wenn sie bereits eine Tagesetappe von über 100 Kilometern hinter sich hatten.

„Denen muss man die neunzehn Kilometer nach León nicht auch noch zumuten“, erklärte Wolf, „wer weniger hat, muss allerdings weiterfahren, wenn es noch nicht Abend ist.“ Obwohl diese Regelung vernünftig war, wollten manche Radler sie partout nicht einsehen, warfen uns vor, Fahrradfahrer als Pilger zweiter Klasse zu behandeln. Insgesamt schien der Umgangston wesentlich rauer geworden zu sein, als ich es von meinen bisherigen Einsatzorten gewohnt war.

„Das stimmt“, bestätigte Wolf meine Vermutung, „und das kommt daher, weil jetzt so viele Touristen auf dem Camino unterwegs sind.“

Auf meiner eigenen Pilgerreise war ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen, als dass es mir aufgefallen wäre — aber in der Hochsaison ist der Camino tatsächlich neben dem Wallfahrtsweg zugleich eine äußerst beliebte Touristenroute, wobei die Grenze zwischen Pilgern und Touristen oft fließend ist.

Nachdem er lange Zeit fast vergessen schien, wurde der Jakobsweg in den letzten zehn, fünfzehn Jahren wieder zunehmend bekannter und ist inzwischen geradezu in Mode gekommen. Es gilt vielfach als zünftig, chic, cool oder was auch immer, ein paar Tage auf dem Camino zu gehen, mal reinzuschnuppern in die Pilgerei. Dagegen wäre eigentlich nichts einzuwenden, würden diese Camino-Touristen nicht denjenigen, welche die gesamte 750 Kilometer lange Route auf sich nehmen, die Plätze in den Herbergen streitig machen. Daneben gibt es gerade in der Hochsaison zahlreiche Peregrinos, Pilger, die Wolf scherzhaft Perebuses nannte, weil sie nur die „Sahnestückchen“ des Camino gehen und für schwierige oder monotone Etappen, oder wenn es regnet, den Bus nehmen. Um die begehrte Compostela zu erhalten, die Urkunde der Kathedrale von Santiago, welche die Vollendung der Pilgerreise bestätigt, reicht es ohnehin, nur die letzten 100 Kilometer zu Fuß beziehungsweise die letzten 200 per Rad zurückzulegen. Diese offizielle Regelung machen sich die so genannten Perebuses zunutze.

„Und wie ist das in deinem Leben sonst?“, pflegte Wolf sie zu fragen. „Nimmst du dann auch jedesmal, wenn es unangenehm wird, den Bus?“

Damit löste er manch nachdenkliches Gespräch aus.

In Azofra, wo Roland seine eigenen Regeln gelten ließ, hatte sich das Problem, zwischen tatsächlichen und vermeintlichen Pilgern zu unterscheiden, für mich gar nicht gestellt — in Molinaseca, das per Bus nicht zu erreichen war, auch nicht. Nun sah ich mit Bewunderung, dass Wolf und Laura es geradezu „rochen“, wenn es sich bei Neuankömmlingen um Touristen handelte.

Der Pilgerausweis war dabei übrigens wenig hilfreich, denn den gibt es in Spanien in fast allen Herbergen ohne Nachfrage, während man in Deutschland ein Empfehlungsschreiben braucht, um sich das Papier vorab von einer Jakobusgesellschaft ausstellen zu lassen.

Mit der Zeit lernte ich ebenfalls, einige Unterscheidungsmerkmale zu erkennen. Pochte beispielsweise jemand besonders nachdrücklich und lautstark darauf, ein „echter“ Pilger zu sein, war Vorsicht geboten, meist war er es nämlich nicht. Während sich Pilger im Allgemeinen bescheiden oder unauffällig gaben, traten Camino-Touristen gern fordernd auf, was bis zur Unverschämtheit gehen konnte. Ein abschreckendes Beispiel dafür erlebte ich gleich an einem meiner ersten Tage in Mansilla.

Auf dem Weg vom Einkaufen zurück sah ich an jenem Mittag eine Gruppe von Männern und Frauen mittleren Alters vor einer Kneipe in der Sonne sitzen und Bier trinken. Sie trugen Wanderkleidung und hatten Rucksäcke neben sich, wirkten aber erstaunlich frisch und proper.

Mir denen wird es Ärger geben, dachte ich, ohne zu wissen, warum.

Es dauerte nicht lange, da tauchte die Gruppe in der Herberge auf, nun auf einmal seltsam verschwitzt — etwa von dem kurzen Weg vom Lokal hierher? — und legte ihre Credenciales zum Abstempeln vor. Bleiben wollten die Herrschaften zwar angeblich nicht, trotzdem inspizierten sie alles genauestens, trampelten treppauf, treppab und beschwerten sich lautstark, dass kein Raum mehr für sie ganz allein frei sei.

„Aber Sie wollten ohnehin hier nur Ihre Credenciales stempeln lassen“, meinte Wolf leicht amüsiert und setzte hinzu: „Sie haben doch ein Begleitfahrzeug — oder?“

Heftiges Protestgeschrei; einer der Männer knallte gar seinen Fuß mit dem staubigen Wanderstiefel auf den Schreibtisch, brüllte: „Sieht dieser Fuß etwa nach Begleitfahrzeug aus?“ Allerdings, dachte ich, der Stiefel war zwar staubig, wirkte aber ansonsten kaum getragen. Unterdessen steigerte sich die Truppe in haltlose Beschimpfungen hinein, gegen Wolf und sämtliche anderen Anwesenden, gegen die Herberge als solche, verlangten schließlich zu wissen, wem sie gehöre und wer verantwortlich sei.

„Sie gehört der Gemeinde und ich bin verantwortlich“, erklärte Laura, wie aufs Stichwort eingetroffen, betont ruhig und wies den Randalierern mit jener hoheitsvoll-stolzen Grandeza, zu der nur Vollblutspanierinnen fähig sind, die Tür. „Diese Typen haben wir nirgendwo unterwegs auf dem Camino getroffen — aber jeden Abend sind sie in den Herbergen, die nehmen immer den Bus.“, erzählten uns einige Pilger, die die Szene beobachtet hatten und sich nun zu uns ins Empfangsbüro setzten.

„Okay, bezüglich des Begleitfahrzeugs hab ich mich geirrt“, meinte Wolf, „aber nicht im Bezug darauf, dass mit denen was faul war.“

„Woran hast du das gemerkt — außer an den Wanderstiefeln?“, wollte ich wissen.

„Ach, mit der Zeit bekommt man einen Blick dafür. Das verschwitzte Aussehen war nicht echt.“

Dann erläuterte er mir und den interessiert lauschenden Pilgern die Tricks, um auszusehen, als sei man weit gewandert, ohne es tatsächlich getan zu haben.

„Das einfachste ist, sich das Hemd unter den Achseln und am Rücken mit Wasser nass zu machen und das Gesicht auch, sodass es scheint, man habe geschwitzt. Staub auf die Schuhe holt man sich am Straßenrand oder an einem Sandhaufen. Es gibt auch welche, die mit dem Rucksack auf dem Rücken den Kopf für fünf Minuten weit nach unten hängen lassen, dann wird er rot wie nach längerer Anstrengung.“

„Warum das ganze Theater — warum wollen diese Camino-Touristen unbedingt in Herbergen übernachten, obwohl sie gar keine echten Pilger sind?“

Wolf seufzte. „Weil es preiswert ist. Sie wollen einfach billig Urlaub auf dem Jakobsweg machen. Außerdem ist die Atmosphäre in vielen Herbergen toll.“

Das war wohl wahr. Gerade das Empfangsbüro, mit Sofa und Sesseln ein wenig wie ein Salón, ein Wohnzimmer, ausgestattet, übte auf die Pilger eine magnetische Anziehungskraft aus. Sie gesellten sich gerne zu uns, als ob sie Nestwärme suchten. Gelegentlich spielten wir miteinander die spanische Version von „Mensch ärgere dich nicht“, sie ließen sich wie üblich Ratschläge für den weiteren Weg geben oder mussten verarztet werden. Ganz besonders aber liebten sie es, skurrile Geschichten über andere Pilger zu hören, wie um sich zu bestätigen, dass sie selbst solche Marotten nicht hätten — oder vielleicht doch?

„Ja, ja, Pilger sind schon seltsame Bichos, seltsames Ungetier“, sinnierte Wolf gern und berichtete von national-typischen Eigenheiten. „Franzosen steuern immer mit nachtwandlerischer Sicherheit auf das beste Zimmer zu — das mit dem Blick auf den Feigenbaum. Amerikanische Pärchen schlafen immer zusammen in einem Bett, egal wie unbequem das ist. Die Spanier sind ständig mit ihren Handys zugange, tippen SMS ein oder telefonieren so laut, dass man sie auch ohne Handy bis León hören kann. Und die Österreicher müsste man eigentlich gleich hier im Empfangsbüro an den Füßen hochheben und schütteln, damit ihnen dieses verdammte Tiroler Nussöl aus den Taschen fällt, womit sie uns immer die Laken versauen.“

Wobei ich noch hinzufügte, dass grundsätzlich nur Deutsche mich fragten, von welcher Organisation ich denn sei — und es schwer nachvollziehen konnten, dass jemand selbst organisiert und aus freien Stücken als Hospitalera am spanischen Jakobsweg arbeitete.

Im Salón lag auch das Gästebuch für die Pilger aus und eines Abends machte sich ein freundlicher stiller Japaner daran, sich mit einer Zeichnung darin zu verewigen. Es wurde ein sehr hübsches Bild, mit Buntstiften gemalt, eine Impression von irgendwo am Camino und als ich dem Mann sagte, wie gut es mir gefiele, holte er seinen Skizzenblock heraus. Statt mit dem Fotoapparat hatte er seinen Pilgerweg mit Zeichnungen festgehalten, detailgetreu und sehr gekonnt.

„Sind Sie Maler?“, wollte ich wissen.

Er wiegte den Kopf, um anzudeuten, dass sich diese Frage weder bejahen noch verneinen ließe. „Vielleicht werde ich es, eigentlich war das schon immer mein Traum. Bisher habe ich in der Werbebranche gearbeitet. Aber jetzt ist alles anders.“ Er hielt inne und ich überlegte, wie alt er wohl sein mochte, dass er an einen Neuanfang dachte. Er sah aus wie Ende dreißig, konnte aber genauso gut Mitte fünfzig sein — Menschen anderer Rassen lassen sich für uns oft nur schwer schätzen. „Meine Frau ist vor einiger Zeit gestorben“, fuhr der Japaner mit leiser Stimme fort, „ich habe mich auf den Camino begeben, um wieder zu mir selbst zu finden. Vielleicht weiß ich am Ende, dass ich Maler werde.“

Ich schluckte und schämte mich ganz entsetzlich. Da hatte ich unbekümmert läppische Phantasie-Szenarien entworfen von einem Witwer, der auf dem Camino wieder Freude am Leben finden wollte — und hier saß nun tatsächlich ein Witwer aus Fleisch und Blut vor mir, dem der Sinn beileibe noch nicht nach neuer Freude stand, der sich zuerst überhaupt einmal wieder fangen, aus seinem Schmerz zurück in den Alltag finden wollte.

Um meiner Verlegenheit Herr zu werden und um ihm zu zeigen, dass ich seine Zeichnungen wirklich gut fand, fragte ich: „Könnten Sie wohl ein Bild für mich malen?“

„Aber sicher. Was möchten Sie denn für ein Bild haben?“

„Der andere Hospitalero hat eine Zeichnung draußen an seiner Tür, damit alle wissen, dass er da wohnt“, erklärte ich, „so was möchte ich auch gerne. Ein Bild für meine Zimmertür.“

Der Japaner zückte seinen Block und seine Stifte und begann, mich zu porträtieren.

Das Bild war zwar letztlich nicht sehr ähnlich, wenn man von Frisur und Augenfarbe absah, aber äußerst ansprechend. „Wie schmeichelhaft“, meinte Laura dazu, „er hat dich viel jünger gemalt.“

Jedenfalls bedankte ich mich herzlich, was den Maler zu freuen schien. Erst im Nachhinein wurde ich mir bewusst, dass ich diesen Mann, obwohl er sehr liebenswürdig gewesen war, kein einziges Mal hatte lächeln sehen und nie werde ich seine tieftraurigen Augen vergessen, mit denen er mich, um das Porträt zu malen, immer wieder musterte.

 

Neben dem Salón übten die Küchen, insbesondere die Große im Vorderhaus, enorme Anziehungskraft auf die Pilger aus. Von Mittags an, kaum dass die Herberge geöffnet hatte, bis in die Nacht hinein werkelten, aßen und saßen sie dort — die Küchen als zentrale Treff- und Austauschpunkte, beliebter fast noch als der Patio.

Ich selbst hatte auf meiner Pilgerreise nur zwei, drei Mal gekocht. Es war mir zu umständlich, denn es gab keineswegs in allen Herbergsküchen die Grundausstattung, die man für anständiges Kochen braucht — Öl, Salz, Zucker, ein paar Gewürze — sodass man diese Dinge entweder jeweils immer wieder neu kaufen oder mitschleppen musste. Für unzählige Pilger ist die ernährungstechnische Improvisation à la Pfadfinderlager aber offenbar wesentlicher Bestandteil des Erlebnisses Jakobsweg. Das anschließende Aufräumen der Küchen allerdings weniger und obwohl Wolf eigentlich der Strengere von beiden schien, schlug dann Lauras Stunde. Wenn es mal wieder nötig war, stellte sie sich, die Hände in die Hüften gestemmt, im Patio in Positur.

„Also Pilger, alle man herhören. Die Küche sieht aus wie ein Schweinestall. So geht das nicht. Wenn die in einer Stunde nicht aufgeräumt ist, schließe ich sie ab und dann kann keiner mehr dort kochen.“

Nicht nur ich fand diese Auftritte eindrucksvoll, bei denen Laura keineswegs laut wurde oder ihr freundliches Gesicht verlor, aber mindestens zehn Zentimeter größer wirkte, als sie war. Diejenigen, die es betraf, dackelten danach brav in die Küche und brachten alles wieder auf Vordermann — um am nächsten Morgen nach dem Frühstück erneut ein Chaos zu hinterlassen, Motto: Nach uns die Sintflut. Gerechterweise muss ich jedoch sagen, dass viele Herbergsgäste von sich aus nach der Küchenbenutzung alles wieder aufräumten. Vor allem diejenigen, die den Jakobsweg gänzlich zu Fuß oder per Rad zurücklegten, zeigten hier Verantwortungsgefühl — wohingegen Camino-Touristen sich eher gern zu drücken schienen.

„Ja, ja, die Küchen in Pilgerherbergen“, seufzte Wolf einmal, „ein ewiger Zankapfel, nicht nur wegen dem Saubermachen.“

„In meinen Anfangsjahren habe ich in der Küche Frühstück für die Pilger gemacht, vor allem für solche, die ganz früh morgens los wollten“, erzählte mir Laura in diesem Zusammenhang. „Aber dann hat mir das die Gemeinde untersagt, weil die Lokale am Ort darin eine Konkurrenz sahen. Dabei hatten die in der Früh’ alle noch zu.“

Da war sie wieder, die alte Geschichte von Neid und Missgunst um das Geschäft, das mit der Pilgerei zu machen ist, und sie war in Mansilla noch längst nicht ausgestanden.

„Jetzt gibt es immer wieder Vorstöße bei der Gemeinde, dass die Küchen in der Herberge ganz geschlossen werden. Die Pilger sollten gefälligst in den Lokalen essen, heißt es.“ Laura verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Zum Glück sind sie bisher damit noch nicht durchgekommen.“

Eine Schließung der Herbergsküchen würde sowieso keineswegs sämtliche Pilger in die Restaurants treiben. Es gab genug vor allem junge Leute oder solche, die von weither kamen, die mit wenig Geld auf dem Camino unterwegs waren, und sich deshalb hauptsächlich von belegten Broten ernährten. Sollte denjenigen etwa noch die Möglichkeit genommen werden, sich ab und zu eine Tütensuppe warm zu machen oder ein Ei zu braten — oder sollte die Hospitalera sich morgens vor der Arbeit keinen Tee mehr aufbrühen dürfen?

Anders denn als Pilgerin nutzte ich nun die Herbergsküche recht häufig, nicht nur für besagten Tee. Einmal bekochte ich das Team in der Herberge, weil Ana an jenem Tag keine Zeit dafür hatte, und wenn sie mir gelegentlich etwas Leckeres schickte, weil ich mal wieder eine Familienmahlzeit hatte ausfallen lassen, machte ich es mir in der Küche warm. Dabei traf ich eines Spätnachmittags am Herd einen spanischen Pilger, der trübsinnig in seinen Topf mit Kichererbsen schaute. Da er sie nicht über Nacht eingeweicht hatte, würden sie vermutlich Stunden brauchen, um essbar zu sein.

„Ich habe so gut wie kein Geld“, hatte der Mann im Empfangsbüro leise zu Wolf gesagt, „deshalb übernachte ich immer irgendwo draußen auf den Feldern oder in einer Scheune. Aber könnte ich hier vielleicht bitte duschen und mir was kochen?“

„Selbstverständlich.“, meinte Wolf und bot dem Pilger an, unentgeltlich in der Herberge zu übernachten. Doch das mochte dieser nicht annehmen.

Frisch gewaschen und gekämmt stand er nun also in der Küche und holte, während die Kichererbsen nicht weich werden wollten, seine weitere Verpflegung aus einem abgewetzten Rucksack: Brot und Hartwurst.

Ich wärmte gerade Anas Pisto, einen speziellen Gemüseeintopf mit Ei, und lud den Mann ein, ihn mit mir zu teilen: „Es ist sowieso viel zu viel für einen allein und bis du deine Kichererbsen essen kannst, dauert es noch ewig.“

Er freute sich — erst recht, nachdem er von dem Pisto gekostet hatte — und schnitt mir ein paar Scheiben seiner Hartwurst ab, um sich zu revanchieren. Obwohl Vegetarierin aß ich sie mit Todesverachtung, weil ich ihn nicht kränken wollte, indem ich das wenige, was er mir anbieten konnte, ablehnte.

Während wir zusammen aßen, erzählte er ein bisschen von sich. Er stammte aus dem Baskenland, lebte aber in Barcelona, weil er in seiner Heimat keine Arbeit gefunden hatte.

„Ich bin Kellner und da war es für mich an der Küste natürlich besser. Doch vor ein paar Monaten hat das Restaurant, in dem ich beschäftigt war, zugemacht“, seufzte er und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht mehr der Jüngste und bis jetzt konnte ich einfach keine neue Arbeit finden.“

„Und warum bist du in dieser Situation auf den Camino gegangen?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort im Grunde wusste.

„Ich dachte, der Camino würde mir Kraft geben, damit ich den Mut nicht verliere, wenn ich noch lange suchen muss.“ Wie seltsam, dachte ich. Da saßen wir und teilten nicht nur den Pisto, sondern hatten auch eine ganz ähnliche Lebenssituation — beide in mittleren Jahren, er arbeitslos, ich auf unsicherem Posten — und beide hegten wir die unbestimmte Hoffnung, dass die Magie des Camino die Dinge zum Besseren wenden würde.

„Viel Glück“, wünschte ich ihm zum Abschied, „für deinen weiteren Camino und überhaupt.“

„Genau das wünsche ich dir auch.“

Am Dia de Santiago, dem Tag des Heiligen Jakobus am 25. Juli, gab es von offizieller Seite keinerlei Einwände dagegen, die Pilger in der Herberge zu bewirten und dafür die Küche zu nutzen — im Gegenteil.

„Die Gemeinde sagt, wir können machen, was wir wollen, sie zahlen“, verkündete Laura nach einem entsprechenden Vorstoß frohgemut und deutete mir mit einer Kopfbewegung an, mitzukommen.

In ihrem bevorzugten Tante-Emma-Laden des Ortes starteten wir den Großeinkauf — Schinken, Wurst, Käse, Brot, Melonen, Cornichons, Silberzwiebeln, Oliven, Nüsse, Chips, Getränke und was weiß ich noch alles in riesigen Mengen. José Ramon musste uns mit seinem Auto helfen, die Sachen in die Herberge zu transportieren.

Zusammen mit einigen Pilgern, die Laura von früher kannte, verzogen wir uns in die große Küche und machten Partyschnittchen, mehrfach belegt und reich verziert, schichteten sie auf von Ana ausgeliehene Platten. Im Patio schoben wir die Tische zu einer langen Reihe zusammen und beluden sie mit allem, was wir gekauft und mundgerecht zubereitet hatten. Nach und nach kamen die Pilger aus ihren Quartieren und beäugten das Geschehen. Dabei muteten sie auf drollige Weise ein wenig wie scheue Wildtiere an, die nicht so recht wissen, ob das Futter, welches da im winterlichen Wald abgeladen wird, tatsächlich für sie bestimmt ist. Auf wundersame Weise, als sei es so verabredet worden, befand sich ein Priester unter den Pilgern. Laura bat ihn, einen Segen zu sprechen und alle einzuladen, den Santiago-Tag gemeinsam zu feiern. Es wurde ein schönes Fest, das sich bis weit nach Mitternacht hinzog, und ich glaube, das lag nicht allein daran, dass wir alle kostenlos üppig bewirteten, weniger hätte es vermutlich auch getan. Mir schien vielmehr, als würde durch das gemeinschaftliche Fest, ausgerufen aus Anlass des Tages des Heiligen Jakobus, einer Reihe von Herbergsgästen erst richtig klar, dass sie sich eben nicht auf einer simplen Wandertour, sondern auf einer Pilgerreise befanden.

„Wie viele Pilger sind wohl tatsächlich aus religiösen Gründen unterwegs, also richtig auf christlicher Pilgerfahrt — was meinst du?“, fragte ich Laura ein paar Tage später, während wir gemütlich in einer Cafeteria saßen. Das empfand ich als höchst angenehm in Mansilla — weil wir in der Herberge ein Vierer-Team waren, konnten wir uns in ruhigeren Phasen allein oder paarweise öfters eine Auszeit gönnen.

Laura blähte die Backen. „Puh. Das ist sehr schwer zu sagen. Jeder Spanier wird dir  natürlich sagen, er macht das aus Glaubensgründen, selbst wenn es nicht so ist. Ich persönlich würde sagen, es sind nicht sehr viele — und es werden immer weniger.“

„Dafür betrachten aber doch eine Menge den Weg als eine Art spirituelle Suche“, meinte ich, eingedenk der zahlreichen Shirley MacLaine- und Paulo Coelho-Leser auf dem Camino. „Ach“, seufzte Laura, „ich weiß nicht recht. Manchmal denke ich, das ist nur aufgesetzt. Schau, ich bin jetzt seit sieben Jahren Hospitalera und in diesen Jahren hat sich unheimlich viel geändert. Du musst dir nachher in der Herberge nur mal die Gästebücher ansehen — weniger das von heuer, sondern die von einigen Jahren zuvor. Da merkst du den Unterschied. Früher standen darin oft längere spirituelle Überlegungen, Gedanken, welche die Pilger den Nachfolgenden als Anregung, Rat oder Trost hinterlassen wollten. Heute bedanken sich die allermeisten bloß für die Behandlung ihrer Blasen und Muskelkrämpfe.“

Sie lehnte sich zurück und dachte ein Weilchen nach, zog dann eine bedauernde Grimasse. „Mittlerweile kommt es mir oft vor, als habe sich der Camino geradezu in einen Circo Jacobeo, einen Jakobszirkus verwandelt — vor allem in der Hochsaison.“

Zu einem Rummelplatz drohe der Jakobsweg zu werden, hatte bereits Tomás bei meinem Besuch in Manjarín gesagt. Stand es wirklich so schlimm?

In gewisser Weise musste ich Laura und Tomás Recht geben. Gerade in den Tagen vor dem Santiago-Fest hatte in der Herberge weniger Besinnlichkeit als die Ausgelassenheit eines Betriebsausfluges geherrscht. Einmal hatte ich morgens im Schlafsaal leere Weinflaschen unter den Betten gefunden „Ach, da sind wieder Möchtegern-Hemingways unterwegs“, brummte Wolf dazu, „junge Amerikaner, die den Roman „Fiesta“ gelesen haben und auf den Spuren des Meisters nach Pamplona gefahren sind. Dort haben sie vom Camino gehört, suchen da jetzt das große Abenteuer und denken, sie müssten sich jeden Abend wie Hemingway die Kante geben.“

Das entsprach zwar nicht gerade dem Sinn einer Pilgerfahrt, aber solche Exzesse waren meiner Meinung nach kein Phänomen allein der jüngsten Zeit. Wenn ich an die Bücher dachte, die ich zur Geschichte des Weges gelesen hatte, kam es mir vor, als habe der Jakobsweg schon immer auch etwas von einem „Jakobszirkus“ an sich gehabt.

Aus dem Mittelalter gibt es zwar keine Statistiken, aber moderne Schätzungen besagen, dass zur Hochblüte des Kultes um die Reliquien des Heiligen Jakobus jedes Jahr an die 200.000 Menschen nach Santiago de Compostela aufbrachen. Weniger vorsichtige Schätzungen sprechen sogar von zeitweise bis zu 500.000 Pilgern jährlich.

Menschen aller Schichten waren damals unterwegs, arme Bauern wie reiche Edelleute, Sünder, die für den Ablass nach Santiago pilgerten, Gläubige, die ein Gelübde einlösten, etwas erbitten wollten oder sich einfach um ihr Seelenheil sorgten — und auch Abenteurer. Schließlich war im Mittelalter eine Pilgerfahrt die einzige gesellschaftlich akzeptierte Möglichkeit, von Zuhause fortzukommen, in ein fernes Land zu reisen, etwas Aufregendes zu erleben.

Zahlreiche Dörfer und Städte existierten zu jener Zeit fast ausschließlich vom Geschäft mit Pilgern, außerdem suchten Händler, Huren und Banditen entlang der Route auf ihre Kosten zu kommen. Insofern herrschte bereits damals am Camino neben aller Frömmigkeit zugleich durchaus auch eine Art Jahrmarktsatmosphäre.

Später verlor der Jakobsweg durch Reformation, spanische Inquisition und andere Faktoren seine Anziehungskraft, fiel für lange Zeit in ein Art Dornröschenschlaf, bis er im ausgehenden letzten Jahrtausend allmählich wieder daraus erwachte. Mittlerweile war er dabei, erneut zum Rummelplatz zu werden — aber wie die Geschichte zeigt, konnte sich das auch wieder ändern.

Außerdem — selbst auf einem Rummelplatz ist es möglich, zur Besinnung zu finden. Ein paar Tage zuvor hatten mich bei der Rückkehr vom Abendessen einige Pilger aufgefordert, mich im Patio zu ihnen zu setzen — alles junge Leute, darunter zwei großspurige amerikanische Jungs, noch grün hinter den Ohren, die sich zu vorgerückter Stunde aber immer nachdenklicher gaben.

„Dieser Camino“, meinte einer von ihnen, „ich glaub’, der hat mich schon sehr verändert. Auf diesen langen Strecken, da kommt man unheimlich zum Nachdenken. Wenn ich wieder Zuhause bin, werde ich mir jeden Tag eine Stunde Zeit nehmen, um irgendwo zu gehen — und einfach nur nachzudenken.“

Das war schon ein Schritt auf dem „Weg zur Erkenntnis“ — oder etwa nicht?

Ich besann mich auf meine eigene Pilgerreise. Hatten wir da abends in den Herbergen etwa immer nur tiefschürfende, besinnliche Gespräche geführt? Mitnichten! Auch wir hatten oft einfach nur zusammen gesessen, getrunken, gelacht, gefeiert — das gehört genauso zum Jakobsweg wie die Selbstbesinnung, schließlich wird der Camino doch als Sinnbild des Lebensweges bezeichnet.

Als ich mich einmal in Molinaseca mit Alfredo darüber unterhalten hatte, ob sich der Jakobsweg angesichts der ständig steigenden Pilgerzahlen wohl sehr verändern würde, gab er mir Folgendes zu bedenken. „Nicht der Camino ändert sich — wir sind es, die sich verändern. Aber vergiss eines nicht — jeder macht seinen eigenen Camino. Und es ist gut, dass jeder Einzelne auch die Freiheit hat, ihn so zu machen, wie er will. Schließlich ist diese Erfahrung sehr persönlich, genauso wie die Motivation, die einen auf den Weg bringt. Niemand hat das Recht, einem anderen zu sagen, wie er seinen Camino zu machen habe.“

Wohl war — aber angesichts der Massen, die in der Hochsaison die Herberge stürmten und abends Party im Patio machten, konnte man das zuweilen vergessen. Und ich verstand hauptamtliche Hospitaleros, die den ganzen Sommer über dem Trubel ausgesetzt waren, sehr gut, wenn sie mit einer gewissen Wehmut auf frühere ruhigere Zeiten zurückblickten.

 

Gelegentlich ließ ich meine bisherige Hospitalera-Zeit vor meinem inneren Auge Revue passieren und fand, dass ich viel Glück gehabt hatte mit allen drei Einsatzorten, trotz des Zerwürfnisses mit Roland. An jedem Ort hatte ich eine andere Rolle eingenommen und andere Einblicke gewonnen in das Herbergswesen, spanische Sozialstrukturen, die Befindlichkeiten von Pilgern und in das Phänomen Camino — und für mich persönlich viel gelernt.

Hier in Mansilla hatte ich darüber hinaus unerwartet Familienanschluss gefunden, der weit über die Teilnahme an den täglichen Mahlzeiten hinausging. Deutsche Zurückhaltung im Blut war ich anfangs etwas verlegen, wenn ich wie selbstverständlich zu Familientreffen mitgenommen, Freunden und Verwandten im Ort vorgestellt wurde, als sei ich tatsächlich eine Cousine oder Stiefschwester. Aber ich gewöhnte mich schnell daran, es gefiel mir, Teil einer großen Sippe zu sein, was vermutlich mit daran lag, dass ich in Deutschland eben keine solche hatte.

In Spanien spiele die Familie im Allgemeinen noch eine sehr große Rolle, hatte ich mal irgendwo gehört oder gelesen, nach wie vor sei sie ein Schutz- und Auffangnetz bei allen möglichen Schwierigkeiten. Man stehe nie allein da.

Gut und schön, dachte ich seinerzeit, aber manchmal kann so ein Netz sicher auch gefangen halten.

In Mansilla erlebte ich allerdings eher die positiven Funktionen dieses Familiennetzes, sah, wie dehnbar es bei Belastungen war.

„Bei uns zeigt man viel mehr Gefühl als bei euch in Deutschland“, erklärte mir Ana, „wir fassen uns mehr an, sind liebevoller und herzlicher — allerdings halt auch lauter, wenn wir streiten.“

Ich verstand immer besser, warum Wolf so gerne in Spanien war und in Deutschland regelrecht Heimweh nach Mansilla hatte. Da er jedes Jahr für mehrere Monate kam, war er natürlich noch weit mehr ein Teil von Lauras Familie als ich, die ich nur vorübergehend da war. Im Ort wurde er respektiert und geschätzt. Vermutlich lag das auch daran, dass er die Sitten und Gepflogenheiten genau achtete und niemanden mit unbedachten Äußerungen vor den Kopf stieß.

„Wenn du so gerne hier bist, warum bleibst du nicht das ganze Jahr?“, fragte ich ihn.

„Na ja, irgendwann muss ich daheim auch mal meine Familie verprügeln“, meinte er mit schiefem Grinsen. „Nein, im Ernst — ich habe mein Haus in Deutschland und außerdem ist hier im Winter sowieso nichts los. Die Herberge ist dann im Prinzip zu und an der Tür hängt ein Zettel mit Lauras Telefonnummer — für die wenigen, die unterwegs sind.“

Winterpilger seien ganz anders, das hatte ich schon von Roland und Alfredo gehört und auch Wolf und Laura betonten es immer wieder, wenn wir über den hochsaisonlichen Jakobszirkus mit all seinen Auswüchsen sprachen. Ich konnte mir das durchaus vorstellen — wer in der unwirtlichen kalten Jahreszeit den Camino ging, der musste eine besondere Motivation haben. Aber welche?

Allmählich reifte in mir die Erkenntnis, dass — was immer ich über meine Hospitalera-Zeit schreiben würde — unvollständig bliebe, wenn ich nicht auch den winterlichen Camino und seine Pilger kennengelernt hätte. Wieder einmal zog ich Wolf zu Rate, wo ich am besten im November oder Dezember als Hospitalera arbeiten könnte. Nach kurzer Überlegung empfahl er mir die private Herberge in Rabanal del Camino, jenem kleinen Dorf im Gebirge oberhalb von Molinaseca.

„Die hat das ganze Jahr über offen, nicht nur einen Zettel an der Türe für den Bedarfsfall. Und so ein einsames Bergdorf im Winter...“

Er brauchte gar nicht weiter zu sprechen, ich war bereits überzeugt, dass Rabanal der richtige Ort für mich sei. Wolf kannte die Besitzer der Herberge gut, rief sie an, erklärte, wer ich war und was ich wollte und vereinbarte einen Tag, an dem ich kommen sollte, um mich vorzustellen.

Ein paar Tage später fuhr ich per Bus und Anhalter nach Rabanal. Das Vorstellungsgespräch mit Isabel, einer Frau etwas jünger als ich, die für die Herberge verantwortlich war, verlief freundlich, einvernehmlich und knapp, denn auch in Rabanal herrschte Jakobszirkus.

„Am liebsten wäre mir, du kämest Ende November, da will ich nämlich selbst zwei Wochen auf den Camino gehen“, erklärte Isabel. „In dieser Zeit könntest du mich vertreten und meine Mutter unterstützen.“

Sie stellte mich der Mutter, dem Vater und ihrem Bruder José kurz vor und lud mich noch auf ein Bier ein. Dann machte ich mich wieder auf den Weg zurück nach Mansilla.

„Ein ziemlich dicker Mann ist angekommen und hat nach dir gefragt“, sagte Laura statt einer Begrüßung.

Matthias — wie schön, ihn wiederzusehen. Wir gingen etwas trinken und Tapas essen und erzählten einander, wie es uns in der Zwischenzeit ergangen war. Matthias hatte seinen Pilgerweg in Tagesetappen von fünfzehn bis zwanzig Kilometern zurückgelegt und sich deshalb auch keineswegs übernommen, wie Skeptiker Zuhause es ihm vorausgesagt hatten. Im Gegenteil, er fühlte sich großartig und war begierig darauf, Santiago zu erreichen.

„Die Energie wird immer größer, je näher man Santiago kommt“, erklärte er mir und zog sein Pendel aus der Tasche. Ich verstand nicht viel davon, fand es aber faszinierend, wie rasend schnell Matthias’ Pendel ausschlug. Ein Beweis dafür, dass tatsächlich entlang dem Camino geheime Energiebahnen verliefen?

 

Nein, nein, nein, es gefiel mir gar nicht, dass ich nun bald nach Deutschland zurückfliegen sollte, vor allem vor dem Hintergrund der düsteren beruflichen Aussichten, die mich dort erwarteten. Ich hatte Laura einmal kurz davon erzählt und sie hatte nach einigem Nachdenken gemeint: „Vielleicht solltest du was ganz Neues machen. Schließlich sprichst du vier Sprachen und hast so viele andere Qualitäten.“

Das mochte ja sein, aber ich war über fünfzig und das war der Knackpunkt auf dem Arbeitsmarkt, selbst wenn ich mich wesentlich jünger fühlte und — wie mir alle ständig versicherten — auch so wirkte.

Zum Abschied schenkte Laura mir eine kleine Heiligenfigur — Sankt Pankraz.

„Der ist zuständig für gute Geschäfte, deshalb steht er bei uns in Spanien in allen Kneipen“, erklärte sie und fügte beziehungsreich hinzu, „und er fördert Neuanfänge aller Art.“ Was hatte das zu bedeuten, dass ich in meiner Hospitalera-Zeit ständig Glücksbringer geschenkt bekam? Dies war nun schon der Dritte.

Ich hatte meine Jademuschel für Schutz auf allen Wegen, meinen Achatelefanten mit erhobenem Rüssel für Glück im Allgemeinen und nun noch Sankt Pankraz, der mir bei einem Neuanfang beistehen sollte.

Jetzt fehlte mir eigentlich nur noch eines — göttlicher Segen.